Avifauna – was ist das und was hat das mit Windrädern zu tun?
28. Juni 2023|Lesezeit: 4 min
Bis ein Windpark realisiert werden kann, wird in mehreren Schritten eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erstellt. Ein Teil davon ist der Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) zur Avifauna. Dieser befasst sich mit der vor Ort vorhandenen Vogelwelt.
Hans Buser steht mit seinem Fotoapparat mitten in einem Feld auf dem Ruswilerberg etwas erhöht auf einer Sitzbank und untersucht das Gelände auf dessen Wert für die Vogelwelt. «Mit meinem Besuch vor Ort beobachte ich beispielsweise, wie der Waldrand oder Hecken strukturiert sind, wie die Hecken zueinander oder zu vorhandenen Hochstammbäumen liegen und wie intensiv die Landwirtschaft betrieben wird», erklärt der studierte Biologe. Bei seinen Feldbeobachtungen achtet er auf alles, was für eine vielfältige Vogelwelt wichtig ist. Seine Beobachtungen finden später den Weg in den vogelschutzrechtlichen Umweltverträglichkeitsbericht.
Avifauna
Als Avifauna wird die Gesamtheit aller in einer Region vorkommenden Vogelarten bezeichnet. Der Avifauna-UVB für Windräder befasst sich entsprechend mit dem Einfluss des geplanten Windparks auf die Vogelwelt in der Region.
Grundlagenrecherche am Schreibtisch
Die ersten Schritte des UVB zur Avifauna finden jedoch vor allem am Schreibtisch statt. Das Team, das den Bericht erstellt, verwendet neben der aktuellen Fachliteratur auch Luftbilder von den geplanten Windenergiestandorten. Letztere bieten einen ersten Geländeüberblick. Wiesen, Äcker, Hecken, Wälder, Biotope und vieles mehr werden ein erstes Mal aus der Vogelperspektive angeschaut. Die Luftbilder geben wichtige Hinweise zur Werthaltigkeit des Gebiets für die Vogelwelt.
Ebenfalls sehr wichtig sind die Daten von ornitho.ch. Auf dieser Seite tragen Ornithologen und interessierte Laien ihre Vogelbeobachtungen ein. Es ist die offizielle Informationsquelle für Schweizer Vogelkundler. «Besonders wichtig sind für uns die eingetragenen Daten zu Brutbeobachtungen von Vögeln, die als sensibel klassifiziert wurden», erklärt Hans Buser. Für den Ruswilerberg sind die vorhandenen Daten aber spärlich. «Das hängt wohl mit der intensiven Landwirtschaft, aber auch mit der möglicherweise eher geringen Präsenz von Ornithologen vor Ort zusammen», erklärt Hans Buser. Abwechslungsreicher und damit interessanter für Vogelbeobachter sind die Gebiete nahe beim Sempachersee.
«Besonders wichtig sind für uns die eingetragenen Daten zu Brut-beobachtungen von Vögeln, die als sensibel klassifiziert wurden.»
Hans Buser
Biologe
Zwischenbericht mit Empfehlungen
Als Resultat dieser ersten Abklärungen entsteht ein Zwischenbericht mit Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. «Empfehlungen können beispielsweise eine vertiefte Befragung lokaler (Hobby-)Ornithologen sein, um die im Gebiet vorhandenen Vogelarten noch besser kennenzulernen. Und eine Kartierung von Brutvögeln im Umkreis von einem Kilometer bzw. von drei Kilometern für den Wanderfalken», erklärt Hans Buser. Auch der Kleinvogelzug müsse häufig durch Feldbeobachtungen genauer analysiert werden, weil zu wenige Daten dafür vorliegen würden, ergänzt der Avifauna-Fachmann. Die Erkenntnisse dieser Arbeiten finden schliesslich den Weg in den Schlussbericht mit der Empfehlung, ob Windräder an diesem Standort aus vogelschutzrechtlicher Sicht möglich sind oder nicht und welche Begleitmassnahmen bei einem Bau von Windrädern umgesetzt werden sollten, um Ersatzlebensräume für Vögel zu schaffen oder den Lebensraum für die Vogelwelt aufzubessern.
Hans Buser läuft die Strasse entlang zum nächsten potentiellen Windrad-Standort, um einen genauen Augenschein zu nehmen. «Weil keines der geplanten Windräder auf dem Ruswilerberg im Wald geplant ist, das Land intensiv bewirtschaftet wird und bisher keine klaren Ausschlusskriterien entdeckt wurden, gehe ich davon aus, dass dieser Windpark aus Sicht des Vogelschutzes gebaut werden kann», erwähnt Hans Buser als erstes Fazit. In einem nächsten Schritt müssen diese Erkenntnisse aber vertieft und bestätigt werden. Selbstverständlich müssten Ausgleichsmassnahmen für die Vogelwelt getroffen werden – schliesslich werde der Lebensraum für die Vögel wegen des Windparks beeinträchtigt.
Umweltverträglichkeits-prüfung
Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für Windenergieanlagen erfolgt in mehreren Schritten. In einem ersten Schritt werden projektintern die Chancen für eine Standortbewilligung abgeklärt. Stehen keine Ausschlusskriterien im Weg, wird in einem weiteren Schritt ein sogenanntes Pflichtenheft für vertiefte Abklärungen der Umweltbedingungen erstellt. Dieses Pflichtenheft wird von Behörden geprüft, allenfalls angepasst und verbindlich festgelegt. Das Pflichtenheft muss für die Erstellung der UVP abgearbeitet werden. Die gewonnen Erkenntnisse werden in einem Bericht zusammengefasst und von den Behörden geprüft. Letztere heissen die Erkenntnisse gut, verlangen ergänzende Abklärungen oder Anpassungen am Projekt.