E-Mobilität: Mobilität wird komplexer

8. Mai 2024|Lesezeit: 7 min

Seit Anfang Jahr leitet Alois Freidhof ad interim die Sektion Mobilität im Bundesamt für Energie (BFE). Im Interview äussert er sich zur Mobilität der Zukunft und über die Herausforderungen der Elektromobilität in der Schweiz.

Text: Simon Eberhard|Bilder: Gian Marco Castelberg 

Herr Freidhof, mit welchem Verkehrsmittel reisen Sie vorwiegend?

Wenn immer möglich, nutze ich den öffentlichen Verkehr. Ich bin häufig zwischen Zürich und Bern unterwegs, da ist der Zug das effizienteste Verkehrsmittel. Da ich auf dem Land wohne, nutze ich dort für kürzere Distanzen mein Auto – und bevor Sie fragen: Es ist leider noch kein E-Auto, sondern ein Diesel. Sobald dieser sein Alter erreicht hat, wird mein nächstes Auto auf jeden Fall elektrisch angetrieben sein. Und natürlich bin ich berufshalber schon verschiedene Elektroautos gefahren.   

 

Auf Jahresbeginn hat die Schweiz die Steuerbefreiung für Elektroautos aufgehoben. Verlangsamt dies nicht die Elektrifizierung der Mobilität?

Möglicherweise wirkt sich dieser Bundesratsentscheid kurzfristig auf die Entwicklung der Neuzulassungen aus. Allerdings glaube ich nicht, dass diese vier Prozent längerfristig der wichtigste Hebel sind. Viel wichtiger ist, dass Elektoautos preislich wettbewerbsfähig werden. Bereits heute ist ein Elektroauto über die gesamte Lebensdauer betrachtet günstiger als ein Verbrenner, weil es im Unterhalt weniger kostet.

 

Gemäss der Roadmap Elektromobilität des Bundes von 2018 soll der Anteil an sogenannten Steckerfahrzeugen bis Ende des nächsten Jahres 50 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge betragen. Wie stehen wir da im Fahrplan?

In den letzten Jahren ist ein kontinuierliches Wachstum erkennbar. Im Moment stehen wir bei ungefähr 30 Prozent. Ob wir die 50 Prozent bis Ende 2025 erreichen, kann ich noch nicht sagen, aber wir sind auf gutem Weg.

 

Was würde die Entwicklung beschleunigen?

Zum einen braucht es die Erkenntnis, dass das Elektroauto langfristig gesehen das einzig richtige Fahrzeug ist im privaten Personenverkehr. Da sind viele Menschen noch skeptisch. Auch auf der technologischen Seite muss beispielsweise das Laden einfacher werden. 

 

Sie sprechen zwei wichtige Punkte an, beginnen wir beim ersten, der Akzeptanz in der Bevölkerung. Wie schätzen Sie diese aktuell ein?

Eine Studie der Axa hat kürzlich ergeben, dass sich 56 Prozent der Bevölkerung vorstellen können, mittelfristig auf ein Elektroauto umzustellen. Dies ist deutlich mehr als noch vor zwei Jahren. Dennoch besteht aus meiner Sicht ein Aufklärungsbedarf hinsichtlich der ökologischen Vorteile. So liefern beispielsweise die öffentlichen Ladepunkte in der Schweiz vorwiegend erneuerbaren Strom. Auch kritisieren viele, dass die Produktion der Batterien Emissionen verursache und dies nicht erwähnt werde in den Argumentationen. Hier ist zu wenig bekannt, dass 95 Prozent der Rohstoffe wiederverwendet werden können.

 

Umgekehrt gibt es auch die Ansicht, dass die Elektromobilität nur ein Zwischenschritt ist zur Wasserstoff-Mobilität.

Wasserstoff ist zweifellos ein wichtiger Energieträger für die Zukunft. In Diskussionen geht aber oft vergessen, dass dessen Herstellung ebenfalls Strom benötigt. Über den gesamten Prozess gerechnet, verbraucht ein Auto mit Wasserstoff-Antrieb rund dreimal so viel Strom wie ein Elektrofahrzeug. Im Bereich der Personenwagen schätzen wir, dass Wasserstoffautos 2050 einen ungefähren Marktanteil von fünf Prozent erreichen. Etwas höher sehen wir das Potenzial im Schwerverkehr, doch auch dort wird der Anteil an E-Mobilität bedeutsamer sein.

 

Kommen wir zum zweiten kritischen Punkt, der Ladeinfrastruktur. Wo liegen hier die grössten Herausforderungen?

Wer ein E-Auto hat, will es zuhause laden. Da gibt es im Moment noch einige Hindernisse, vor allem für diejenigen, die in einem Mietshaus wohnen. Sie müssen zuerst den Vermieter überzeugen, diese Investition zu tätigen.

 

Gerade bei diesem Thema zeigt sich: Die Mobilität ist komplexer geworden. Bei der Planung der Infrastruktur für Elektromobilität müssen wir Ladelösungen, Netzkapazität und Abrechnungslösungen mitdenken. Wie beobachten Sie diese Entwicklung?

Die Mobilität ist nun Teil der Gebäudetechnik, das System ist insgesamt komplexer geworden. Diese Entwicklung bringt nebst den geschilderten Herausforderungen auch Chancen. Es entstehen neue Geschäftsmodelle für Autofirmen oder Energieunternehmen. Zentral ist dabei aus meiner Sicht, die «User Experience», also die Erfahrungen der Nutzerinnen und Nutzer, zu verbessern, beispielsweise mit transparenten Preisen oder einheitlichen Abrechnungslösungen.

 

Neben der Elektromobilität benötigen auch andere Anwendungen wie beispielsweise Wärmepumpen Elektrizität. Steht in Zukunft überhaupt genügend Strom zur Verfügung, um all diese Bedürfnisse zu decken?

Eines ist klar: In Zukunft werden wir mehr Strom brauchen. Mit dem Bundesgesetz für die Stromversorgung aus erneuerbarer Energie – dem sogenannten Mantelerlass – hat der Bund kürzlich ambitionierte Zubauziele für die inländische Stromproduktion gesetzt. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, um die inländische Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen massiv auszubauen. Doch natürlich wird das nicht von heute auf morgen passieren.

 

Klar ist: Die Mobilität muss intelligenter werden, ein Umdenken ist gefordert. Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus Ihrer Sicht aus?

Die vom Bund errechneten Verkehrsperspektiven gehen davon aus, dass die Anzahl der privaten Personenwagen kurzfristig zunimmt, bis 2050 aber leicht zurückgeht. Zunehmen werden der öffentliche Verkehr und vor allem der Güterverkehr. Aber auch andere Verkehrsformen werden vermehrt aufkommen. In diesem Zusammenhang wird das Thema Sharing an Relevanz gewinnen; dass ich als Nutzer das Verkehrsmittel also nicht mehr selbst besitzen muss, sondern mir dieses nach Bedarf miete – wie beispielsweise einen E-Scooter.

 

In ländlichen Gegenden dürfte das Mieten allerdings noch länger eher einen schweren Stand haben.

Das ist richtig. Hier geht der Trend in Richtung Sammeltaxis oder Rufbusse; also öffentliche Verkehrsmittel, die nicht traditionell fahrplanorientiert, sondern bedarfsorientiert unterwegs sind. Ein anderer Trend ist zudem das sogenannte bidirektionale Laden: In Zukunft wird es nicht nur darauf ankommen, den Strom in die Fahrzeuge reinzukriegen, sondern auch darauf, wann und wo ich es entlade – und das Elektroauto als Batterie für die Versorgung des Hauses nutze oder im grossen Stil vielleicht sogar zur Stabilisierung der Stromnetze.

 

Als Mobilitätsexperte des BFE verfolgen Sie diese Entwicklungen an der Front. Was fasziniert Sie am meisten an Ihrem Beruf?

Beim Umstieg auf eine Zukunft ohne fossile Energieträger kommen Mobilität, Energie und Digitalisierung zusammen. Wie erwähnt entstehen neue Chancen und neue Geschäftsmodelle. Das finde ich superspannend. Und es motiviert mich, in meiner Funktion einen kleinen Teil zu dieser Verkehrs- und Energiewende beizutragen.   

Alois Freidhof (59) arbeitet seit 2020 als Mobilitäts-Spezialist beim Bundesamt für Energie (BFE) und leitet seit Januar 2024 ad interim die Sektion Mobilität des BFE. Nach seinem Physikstudium und einem MBA arbeitete er vor seinem Engagement beim BFE unter anderem als digitaler Produktmanager und Mobilitätsspezialist in verschiedenen Unternehmen der Telekommunikations- und Energiebranche.   

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