Windkraft im Einklang mit Mensch und Natur

2. September 2024|Lesezeit: 10 min

Bevor sich Windrad-Rotoren drehen, steht mit der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eine entscheidende Hürde an. Die UVP untersucht akribisch, wie sich ein Projekt auf Mensch und Natur auswirkt.

Text: Christoph Hug|Bilder: Christian Betschart / CKW

Eine UVP ist gemäss Art. 10a des Umweltschutzgesetzes für Windkraftwerke mit einer installierten Leistung von mehr als 5 MW vorgeschrieben. Die über 20 Themen umfassende UVP stellt sicher, dass Windräder im Einklang mit Mensch und Natur stehen. Das Energieversorgungsunternehmen und die Behörden prüfen, ob Bau und Betrieb den geltenden Gesetzgebungen entsprechen und mit welchen Massnahmen eine Anlage umweltverträglich gebaut und betrieben werden kann. Dieser Artikel unterteilt die UVP in die Bereiche «Pflanzen und Tierwelt», «Boden, Wasser und Luft» sowie «Mensch».

CKW und Axpo orientieren sich bei ihren Projekten an der durch die Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzämter (KVU) erarbeitete Kaskade von Massnahmen: 

  • Erstens sollen Schutzmassnahmen Eingriffe vermeiden oder minimieren. 
  • Zweitens werden unvermeidbare (temporäre) Eingriffe flächen- bzw. wertgleich wieder hergestellt. 
  • Als letzte Option werden nicht vermeidbare Eingriffe kompensiert. Entsprechende Ersatzmassnahmen müssen bereits auf Stufe Nutzungsplanung gesichert werden. 

Pflichtenheft bildet Grundlage

Ein Pflichtenheft legt den Umfang der UVP fest, zu dem verschiedene kantonale Fachstellen und Umweltschutzverbände Stellung nehmen können. Zudem führt das Axpo/CKW-Windprojektteam während des gesamten Prozesses Gespräche mit Anspruchsgruppen wie zum Beispiel Anwohnerinnen und Anwohner, Umwelt- und Tourismusorganisationen sowie der Land- und Forstwirtschaft. 

Pflanzen und Tierwelt

Biologen erstellen für die Umgebung des geplanten Windparks einen Bericht zu heimischen Brut-, Gast- und Zugvögel. Sie beobachten die Vogelwelt vor Ort über einen längeren Zeitraum und berücksichtigen auch verschiedene Online-Daten von Vogelkundlern. Als Massnahme können beispielsweise temporäre Abschaltungen der Windenergieanlagen zum Schutz von Greifvögeln während und nach der Landbewirtschaftung festgelegt werden. Mehr Informationen dazu findest du in der Story

Energieunternehmen dürfen Windenergieanlagen nur in gut begründeten Fällen im Wald bauen. Gerodete Flächen müssen ortsnah in Zusammenarbeit mit Fachleuten wieder aufgeforstet werden. Diese Flächen müssen zum Zeitpunkt der Baueingabe zugesichert sein. Der Bericht führt zudem den möglichen Verlust oder die Beeinträchtigung von Quartieren und Jagdhabitaten auf und empfiehlt, falls notwendig, Ersatzmassnahmen.

Beheimatet das Gebiet seltene, gefährdete oder geschützte Pflanzen und Tiere? Wie kann die Wildtier-Vernetzung erhalten bleiben? Als Beispiel dienen Untersuchungen zu Aktivitäten von Fledermäusen im Umfeld von Windrädern. Mittels angebrachter Geräte und Stellnetzen werden Fledermausaktivitäten gemessen und Arten bestimmt. Als Massnahme kann beispielsweise ein spezifischer Abschaltplan zum Schutz gefährdeter Arten eingesetzt werden. 

Boden, Wasser und Luft

Geologen untersuchen die Bodenbeschaffenheit am potenziellen Standort. Sie klären, ob der Boden das Gewicht der Anlage trägt, und ob der Betrieb der Windenergieanlage Nachverdichtungen oder Bodenverflüssigungen hervorrufen könnte. Das Windrad muss schliesslich auf einem tragfähigen Fundament stehen. 

Für diesen Bericht geht es in den Untergrund. Er klärt die Frage, ob sich Fliesswege des Grundwassers durch den Bau der Windenergieanlage verändern, verunreinigen oder gar unterbrochen werden könnten. Dafür führen Hydrogeologen Wasser-Markierungsversuche durch und analysieren sie. Zudem erheben Experten Daten zur Schüttungsmenge bekannter Quellen und zum Grundwasserstand. Sie begleiten auch den Bau der Windräder und überwachen dabei die Quellen und das Grundwasser. 

Diese Abklärungen erfassen Fliesswege der Oberflächenwasser in der näheren Umgebung der geplanten Windenergieanlagen. Hydrogeologen untersuchen zudem, ob beim Bau, Betrieb und Rückbau der Windräder Abwasser entsteht und schlagen Massnahmen vor, wie damit umgegangen werden muss. Gewässerverunreinigungen müssen zu jedem Zeitpunkt vermieden werden. 

Windenergieanlagen sind grundsätzlich industrielle Produktionsanlagen. Entsprechend müssen Risiken identifiziert werden und Konzepte für das Vorgehen bei Unfällen und Betriebsstörungen vorliegen. Ebenfalls dokumentiert ist, welche Massnahmen Störfälle verhindern.

Dieser Bericht klärt den Umgang mit Abfällen, die beim Bau, Betrieb und Rückbau der Windenergieanlagen anfallen. Der Bericht schlägt Massnahmen wie Entsorgungskonzepte und Nachweise zuhanden der kantonalen Fachstellen vor. Abfälle sind soweit möglich zu vermeiden, zu verwerten oder umweltverträglich zu entsorgen.

Ein Teil des Berichts befasst sich auch mit möglichen Altlasten im Projektgebiet. Falls Verdachtsflächen bestehen, trifft die Energieversorgerin Massnahmen, damit keine zusätzlichen Verunreinigungen auftreten oder sie entsorgt das Material gemäss den geltenden Vorschriften. 

Rotierende Maschinen oder Strassenverkehr können zu Erschütterungen führen. Für die Abklärung möglicher Erschütterungen während des Betriebs untersuchen Geologen die Bodenbeschaffenheit vor Ort. Der Aspekt der Erschütterungen kann auch in den Bericht zum Thema «Boden» einfliessen.

Vor dem Bau einer Windenergieanlage werden Massnahmen entwickelt, um Schadstoffemissionen während der Bauphase möglichst gering zu halten. Für die Betriebszeit wird der mögliche Einfluss der Windräder auf das Mikroklima, die Durchlüftung sowie zur lokalen/regionalen Schadstoffbelastung geprüft. 

Mensch

Das Energieertragsgutachten bildet die wichtigste Grundlage für den Bauentscheid. Grundsätzlich liegen für die vom Kanton Luzern festgelegten Windzonen bereits Winddaten vor. Zusätzlich führen Energieversorger Windmessungen am vorgesehenen Standort während mindestens zwölf Monaten durch. Die vor Ort gemessenen Winddaten werden mit Langzeitdaten bestehender Messtationen korreliert und mit Ertragsdaten bestehender Windenergieanlagen verglichen. Weil das Energieertragsgutachten eine wichtige Grundlage für den Bauentscheid bildet, werden die meisten Teilberichte der UVP erst nach positivem Befund in Auftrag gegeben. Mehr Informationen dazu hier

Windenergieanlagen müssen die geltende Lärmschutzverordnung einhalten – bei Tag und Nacht. Vor allem im Nahbereich bei mittlerer Windstärke können Windräder gehört werden. Bei starkem oder schwachem Wind sind Umgebungsgeräusche lauter. Energieversorger achten bereits bei der Wahl des Windrad-Typs auf dessen Schallentwicklung.

Von Infraschall spricht man, wenn der produzierte Schall für das menschliche Ohr nicht hörbar ist (Frequenz liegt tiefer als 20 Hertz). Bei Windenergieanlagen entsteht Infraschall besonders am Ende der Rotorblätter wegen der Wirbelablösungen sowie Verwirbelungen an Kanten, Spalten und Verstrebungen. Messungen von Windrädern haben gezeigt, dass bereits ab einer Distanz von 150 Meter der Infraschall nicht mehr wahrnehmbar ist. Viele Alltagsgeräte wie zum Beispiel Waschmaschinen oder Ölheizungen erzeugen mehr Infraschall als Windenergieanlagen.

Windenergieanlagen verursachen im Betrieb und bei Sonnenschein bewegte Schatten, die sich mit zunehmender Distanz abschwächen. Der Bericht zeigt davon betroffene Gebäude und die zu treffenden Massnahmen, damit die geltenden Grenzwerte eingehalten werden. Windräder sind deshalb mit Schattenwurfmodulen ausgerüstet. Lichtsensoren und Computermodelle sorgen für die Einhaltung der Grenzwerte von maximal 30 Minuten pro Tag und 8 Stunden pro Jahr für ein Haus.

Unter gewissen Wetterbedingungen kann sich an den Rotoren Eis bilden – hohe Luftfeuchtigkeit, tiefe Temperaturen und geringe Windgeschwindigkeit. Wie oft das in der Vergangenheit der Fall gewesen wäre, wird im Rahmen des Berichts berechnet. CKW setzt zudem auf moderne Windenergieanlagen mit Rotorblattheizungen, was das Risiko von Eiswurf nochmals deutlich vermindert. An besonders gefährdeten Wegabschnitten können zudem Warnschilder zur Erhöhung der Sicherheit aufgestellt werden.

Unter diesem Punkt analysiert der örtliche Netzbetreiber, ob das bestehende Netz den produzierten Strom aufnehmen kann. Die von CKW durchgeführten Abklärungen haben ergeben, dass in den geplanten Windparkgebieten die Mittelspannungsleitungen aktuell über genügend Kapazität verfügen.

Wildtiere bewegen sich gerne auf für sie möglichst sicheren Wegen. Ziel dieser Abklärungen ist die Durchlässigkeit der sogenannten Vernetzungsachsen der Wildtiere zu erhalten. Der Bericht zeigt Massnahmen auf, damit die Tiere während der Bauzeit möglichst wenig gestört werden und sich nach Bauabschluss wieder ungestört bewegen können. In den Bericht fliessen Beobachtungen und Aussagen von Vertretern der lokalen Jagdgebiete und der kantonalen Jagdverwaltung ein.

Dieser Bericht klärt, ob und in welchem Mass geschützte und schützenswerte Denkmäler von einer Windenergieanlage betroffen wären. Er thematisiert auch mögliche archäologische Zonen und Funderwartungsgebiete im Bereich des Windparks. Falls notwendig, legen Behörden Massnahmen zum Schutz und zur Pflege von Kulturgütern sowie von archäologischen Fundstätten fest.

Windräder sind aufgrund ihrer Grösse gut sichtbar. Dieser Bericht enthält eine Sichtbarkeitskarte, die aufzeigt, wie viele Windenergieanlagen von einem Standort aus zu sehen sind. Die Karte berücksichtigt die Verdeckung von Windrädern durch das Gelände und den Wald. 

In der dicht besiedelten Schweiz erhalten Fruchtfolgeflächen einen besonderen Schutz und sollen auch nach dem Bau einer Windenergieanlage weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Dafür analysiert man die betrieblichen Abläufe des Landwirtschaftsbetriebes und stimmt die Abläufe im Windpark (Bau und Betrieb) möglichst optimal darauf ab. Verloren gehende Fruchtfolgeflächen müssen kompensiert werden. 

Lichtimmissionen entstehen bei einer Windenergieanlage insbesondere aufgrund der Sicherheitsbeleuchtung («Befeuerung») für die Luftfahrt. Mögliche Auswirkungen auf die Fauna, insbesondere Insekten und Zugvögel, muss der Bericht beschreiben. Zukünftig ermöglicht die technologische Entwicklung auch ein gezieltes Einschalten, sobald sich ein Flugobjekt nähert. Der Bericht befasst sich, falls notwendig, auch mit den Themen Spiegelung und Glanz. 

Als nichtionisierende Strahlung (NIS) wird die von Maschinen verursachte elektromagnetische Strahlung im Frequenzbereich von wenigen Hertz bis einige GHz bezeichnet. Windenergieanlage verursachen NIS, wie andere Elektrogeräte auch. Wie beim Schall müssen bei NIS Grenzwerte eingehalten werden. 

CKW verfolgt aktiv mehrere Windenergie und Windkraftprojekte

Windkraft leistet ihren grössten Beitrag für die Stromproduktion im Winterhalbjahr. Dann, wenn die Tage kürzer sind und die Sonne weniger lang scheint. CKW verfolgt aktiv mehrere Windenergie und Windkraftprojekte in der Zentralschweiz und im Aargau.